Fair vs. Fies
19. Juli 2017

Himmel und Hölle – Nominierung Nr. 1

Die Tage werden dunkler, die Nächte kälter und der Umgang mit Freien härter. Es wird also höchste Zeit, ein wenig Brennholz zu sammeln, um das Höllenfeuer anzuschüren.

Denn schon am 16. November 2013 verleihen wir in Berlin zum dritten Mal jeweils den Himmel- und Höllepreis an Redaktionen und Verlage, die mit freien Journalisten besonders gut und besonders schlecht umgehen (Rückblick).

Seit Mai arbeitet die Vorjury daran, Kandidaten zu nominieren. Ab heut werden wir diese in loser Reihenfolge vorstellen. Und weil es uns angesichts der Unverschämtheiten, die uns dabei begegnet sind, immer wieder eiskalt den Rücken hinunter läuft, fangen wir mit einem heißen Höllekandidaten an:

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Bonner Generalanzeiger

Dass insbesondere bei Regionalzeitungen vieles im Argen liegt, die trotz teils schwarzer Zahlen grotesk niedrige Honorare zahlen und die Vergütungsregeln schlicht ignorieren, kann man unter anderem in unserer Liste „Was Journalisten verdienen“ nachlesen. Gegen die Dumping-Honorare des Bonner Generalanzeiger klagten im Juli zwei langjährige freie Mitarbeiter gemeinsam mit dem DJV vor dem Kölner Landgericht. Das Gericht hielt die gezahlten Vergütungen in Höhe von 21 beziehungsweise 25 Cent pro Zeile  für „unangemessen niedrig“. Das gut Doppelte, also 56 Cent pro Zeile, wurde zur Berechnung der Nachzahlung zugrunde gelegt. Dabei berief sich das Gericht auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln der Verlage  und verurteilte den Verlag in einem Fall zur Nachzahlung von 40 000 Euro und im anderen Fall zu 10 000 Euro.

Vor Gericht habe der Generalanzeiger sogar bestritten, dass die beiden Kläger hauptberufliche Journalisten seien. Dabei arbeitet einer der beiden Kläger seit 30 Jahren als Journalist und hatte seine Mitarbeit bei dem Blatt über Jahre dokumntiert. Sein Mitstreiter hatte rund 20 Jahre als fester Freier vor allem für den Lokalteil Wachtberg geschrieben. Nach der Umstrukturierungen vor zwei Jahren seien Zeilenhonorare gesunken und ältere, feste Freie verdrängt worden. Unter dem Strich habe er zuletzt kaum fünf Euro die Stunde verdient,  so dass der hauptberuflich freie Journalist sich mit Nebenjobs, etwa als Industriereiniger und bei der Müllabfuhr, über Wasser halten musste. Nach der Klage habe ihn der stellvertretende Lokalchef angerufen, um ihm mitzuteilen, dass auf seine Mitarbeit verzichtet werde, weil kein Geld mehr da sei. Der Kläger sagt: „Wenn Sie klagen, möchte am liebsten keiner mehr mit Ihnen etwas zu tun haben. Man hat praktisch die Seuche am Hals.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Verlag ist in Revision gegangen. Unser Urteil lautet jedoch schon heute: dem Bonner Generalanzeiger ist ein Platz in der Hölle sicher. Eine Einsicht scheint es beim Verlag nicht zu geben. Nicht nur, dass einer der beiden Kläger nicht mehr beschäftigt wird: „Vor Inkrafttreten der Gemeinsamen Vergütungsregeln richtete sich die Honorierung nach dem Umständen des Einzelfalles, was auch heute noch gilt, soweit die Gemeinsamen Vergütungsregeln nicht einschlägig sind. Gelten sie, wenden wir sie auch an“, sagte Verlagssprecher Hundhausen auf Nachfrage von Freischreiber, „wir haben derzeit keine Veranlassung, von der dargestellten Vergütungspraxis abzuweichen. Die ebenfalls derzeit in Rede stehenden Urteile sind nicht rechtskräftig“.

Übrigens: Sowohl im Himmel als auch in der Hölle ist noch Platz! Nominierungen nehmen wir noch bis 15. Oktober unter nominierung – at – freischreiber.de entgegen!

 


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