Faire Rechte
18. September 2013

Das Leistungsschutzrecht schadet den Autoren: Ein Brief an Kulturstaatsminister Bernd Neumann

Mitte März erschien bei Carta ein Text von Tabea Rößner, Medienpolitikerin und Bundestagsabgeordnete der Grünen. Darin warnt sie vor der Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverleger und schreibt, dass in den kommenden Wochen mit einem ersten Gesetzesentwurf zu rechnen sei. Grund genung für uns, unsere Bedenken in einem Brief zusammenzufassen, den wir in der vergangenen Woche an den Kulturstaatsminister Bernd Neumann geschickt haben: Sehr geehrter Herr Neumann, mit einiger Sorge beobachten wir, die im Verband Freischreiber organisierten freien Journalistinnen und Journalisten, die derzeitigen Debatten um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, die bald in einen ersten Gesetzesentwurf münden werden. Wir sind überzeugt, dass ein solches Gesetz weder im Interesse der Urheber noch im Interesse der Allgemeinheit ist. Es hätte vielmehr eine erhebliche Gewichtsverschiebung der Machtverhältnisse im Internet zugunsten der Presseverlage zur Folge. Ich will Ihnen unsere Bedenken im Folgenden kurz erläutern: Die Verlage argumentieren, ein Leistungsschutzrecht sei notwendig, weil Nutzer nicht bereit seien, für Qualitätsjournalismus im Netz freiwillig zu zahlen. Die Praxis zeigt jedoch, dass viele Verlage selbst nicht bereit sind, Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Insbesondere bei Tageszeitungen sind die Honorare für freie Journalisten schon seit Jahren so niedrig, dass davon ein auskömmliches Wirtschaften unmöglich ist. Und auch die zu Beginn des vergangenen Jahres vereinbarten gemeinsamen Vergütungsregeln für freie Tageszeitungsjournalisten haben daran nichts geändert – obwohl diese bereits von einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgehen. Die meisten Verlage weigern sich bis heute, die Vergütungsregeln überhaupt zur Anwendung zu bringen. Angesichts dieser Tatsache sind die Versprechen der Verlage unglaubwürdig, auch die Urheber würden von einem neuen Recht profitieren. Die zwischen dem Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger und den Journalistengewerkschaften DJV und dju in Verdi ausgehandelten Vergütungssätze für freie Tageszeitungsjournalisten erfüllen trotz der Prämisse eines Leistungsschutzrechts in keiner Weise die im Urheberrecht festgeschriebene „Angemessenheit“. Die Intention der Urheberrechtsnovelle von 2002, die die Position der Urheber stärken sollte, ist damit gescheitert. Wir halten ein Leistungsschutzrecht, das die Position der Verlage weiter stärken würde, für nicht zukunftsweisend: Eine Pflichtabgabe für Verlagsprodukte unterdrückt eine offene gesellschaftliche Debatte darüber, welche Rolle Journalismus in Zukunft spielen soll, welchen Wert die Gesellschaft diesem beimisst und welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist. Wir bitten Sie deshalb, darauf einzuwirken, dass in der anstehenden Novellierung des Urheberrechts die Interessen von Urhebern, Verwertern und Allgemeinheit stärker als bisher zum Ausgleich gebracht werden, und eine gesellschaftliche Diskussion über die Rolle und den Wert von Journalismus und Journalisten im Zeitalter des Internet anzuregen. Ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist dafür nach unserer Überzeugung nicht das geeignete Mittel. Ich würde mich freuen, wenn wir Ihnen unsere Bedenken auch in einem persönlichen Gespräch erläutern könnten. Mit herzlichen Grüßen, Kai Schächtele, im Namen des Vorstands von Freischreiber e.V.


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