4. September 2013

„Freie sind die, die es geschafft haben…“

Gestern haben wir gezeigt, wie „Brand Eins“ ohne Freie aussehen würde: 68 Prozent des Magazins wären weiß. Jetzt spricht Gabriele Fischer, Chefredakteurin von “ Brand Eins „, im Interview mit Freischreiber über Qualität durch Freie, die „Brand Eins“-Honorare und negative Folgen, wenn man an den Freien spart. Freischreiber: Wäre „Brand Eins“ ohne freie Mitarbeiter das, was es ist? Könnten Sie überhaupt Ihr Blatt füllen? Fischer: Es geht nicht darum, Seiten zu füllen – das ließe sich auch mit Pressetexten oder so genannten Gastbeiträgen erledigen. Es geht darum, sie mit guten und sorgfältig recherchierten Texten zu füllen, und das wäre bei „Brand Eins“ ohne die freien Kollegen nicht möglich. Ohne sie könnten wir den Lesern nicht die Qualität bieten, die sie schätzen. Zudem bietet uns die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern die Möglichkeit, Experten aus unterschiedlichen Gebieten zu beschäftigen: Wir haben in unserem Pool Korrespondenten in Südafrika, China oder Russland, aber auch Experten für Biotechnologie oder Telekommunikation – so viele verschiedene Fachkräfte könnten wir uns fest angestellt niemals leisten. Freischreiber: Mancher Mediengewaltige erklärt aber hinter vorgehaltener Hand, freie Mitarbeiter seien jene, bei denen es nicht bis zum Redakteur gereicht hat. Sind freie Journalisten also Leute, die es halt nicht geschafft haben? Fischer: Im Gegenteil, viele Freie sind genau die, die es geschafft haben – nämlich wirklich unternehmerisch zu arbeiten. Das kann nicht jeder. Viele unserer Freien bei „Brand Eins“ sind auch Überzeugungstäter, die feste Jobs ablehnen, wenn man sie ihnen anbietet. Und: Freie sind meist unabhängige Köpfe. Sie schielen nicht ständig auf ihren Chef, sondern haben eine Vielzahl von Auftraggebern. Diese Unabhängigkeit ist gut für sie – und für uns. Freischreiber: Was sind die Freien Ihnen denn wert? Wieviel zahlen Sie? Fischer: Wir haben feste Sätze, die wir jedem vorab klar kommunizieren. Für 4000 Zeichen, das ist etwa eine Seite im Heft, gibt es 510 Euro. Bei langen Geschichten, bei denen der Rechercheaufwand nicht im selben Maße wie die Zeichenzahl steigt, halbiert sich ab 12000 Zeichen das Entgelt. Unsere Honorare sind im Vergleich zu anderen, so hören wir, ganz ordentlich. Freischreiber: Aber sie entsprechen trotzdem eher nicht – umgerechnet in Zeit – dem Gehalt eines Redakteurs? Fischer (lacht): Das kommt ganz drauf an, wie schnell und gut jemand arbeitet. Freischreiber: Oft werden Freie nicht nach der redaktionellen Abnahme ihres Textes bezahlt, sondern erst nach Abdruck. Sie bekommen nicht den letzten Blick auf den redigierten Text. Was halten Sie von solchen Arbeitsbedingungen? Fischer: Wir zahlen selbst erst nach Druck, weil wir erst dann wissen, wie lang ein Text wirklich ist und wie hoch das entsprechende Honorar. Wenn jemand zu viel Luft in sein Stück gepumpt hat, müssen wir die raus lassen. Wir stehen aber, so denke ich, nicht in dem Ruf, Artikel aus Geiz schrumpfen zu lassen. Den letzten Blick gewähren wir unseren Freien nicht, weil dafür in unserer knappen Produktionswoche einfach keine Zeit ist. In aller Regel wird das akzeptiert. Freischreiber: Wem gehört das, was freie Journalisten schreiben? Ist es richtig, wenn ein Autor mit seiner Arbeit nur einmal Geld verdient, ein Medium aber mehrfach? Fischer: In unserem Autorenbriefing sind die Verwertungsrechte klar geregelt, zum Beispiel stellen wir die Artikel aus „Brand Eins“ grundsätzlich online, der Schwerpunkt wird zudem vertont. Aber damit verdienen wir bestenfalls Cent-Beträge, wichtiger ist der Marketingeffekt – für uns und übrigens auch für den Autor. Wenn wir hingegen Geschichten an Dritte weiter verkaufen, erhält der Autor zwei Drittel des Ertrags. Freischreiber: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen freier Journalisten und der Qualität der Texte? Fischer: Aber sicher. Ich bekomme Qualität, wenn ich bereit bin, dafür zu bezahlen. Ein Blatt auf Kosten der Freien gesund zu sparen, wäre nicht sehr klug. Denn es wäre Betrug am Leser. Und der merkt das.


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