vom 26T20:57:00+00:00.02.2019

Liebe Freischreiberinnen, liebe Kollegen und liebe Freundinnen von Freischreiber,
 
 
Fußball-Fans wissen, dass ein verloren geglaubtes Spiel noch in der Nachspielzeit gedreht werden kann. Unvergessen das Champions-League-Finale anno 1999, als Manchester United dem FC Bayern mit zwei Toren in der Nachspielzeit den vermeintlich sicheren Sieg entriss. Auf so einen Effekt hoffen nun auch die Urheber, also wir. Denn im Kampf gegen die EU-Urheberinnenrechtsreform sind wir erheblich in Rückstand geraten, das EU-Parlament hat den Reformvorschlag, der uns nichts nützt, aber viel Schaden anrichten kann, durchgewunken.

Doch das Spiel läuft noch. Es gibt immer noch eine hauchdünne Chance, es zu drehen. Die finale Abstimmung findet vor den Europawahlen statt, und da könnte der Gesetzentwurf noch gekippt werden. Daher rufen wir alle Urheber auf, für ihre Rechte auf die Straße zu gehen. Etwa am 2. März bei der Demo „Berlin gegen 13“. Freischreiber ist Teil des Bündnisses, das die Demo organisiert hat, zusammen mit dem Chaos Computer Club, der Digitalen Gesellschaft und dem Heart of Code e. V. Zeitgleich versucht die Kampagne „Pledge2019“, EU-Parlamentarierinnen gegen die Reform zu gewinnen und freut sich über jeden, der sie unterstützt. Wer von fern mithelfen will, findet hier den Spendenaufruf für die Demo.
 
Um es noch einmal klar zu sagen: Urheberinnen profitieren von dem aktuellen Gesetzesentwurf nicht! Das Leistungsschutzrecht in Artikel 11 soll vor allem den Verlagen neue Einnahmen sichern. Artikel 12 benachteiligt Autoren, Kreative und andere Urheber, denn er sichert den Verlegerinnen wieder die Beteiligung an Tantiemen zu, die ausschließlich Urhebern zustehen. Und Artikel 13 ist mit seinen Uploadfiltern völlig verkorkst, wie man dem Kommentar von Simon Hurtz in der „Süddeutschen Zeitung“ entnehmen kann. Ebenfalls in der „SZ“: die Gegenstimme der grünen EU-Abgeordneten Helga Trüpel, die die Reform befürwortet.
 
Für alle, die tiefer in das Thema einsteigen wollen: Bei netzpolitik.org schreibt Alexander Fanta über ertragreiche langjährige Lobby-Arbeit, Friedhelm Greis bei zeit.de über „Das Urheberrecht frei nach Axel Voss“. Und im Deutschlandfunk gibt es eine Diskussion mit Julia Reda von der Piratenpartei, dem djv-Vorsitzenden Frank Überall und dem Kommunikationswissenschaftler Marc Ziegele aus Düsseldorf zu Uploadfiltern und Meinungsfreiheit im Internet.
 
Aber nicht nur Uploadfilter sind eine Plage, auch Rechtsextreme sind es. Wenigstens darf man sie nun wieder beim Namen nennen. Am 13. Februar 2019 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass die Wochenzeitung „Kontext“ über Marcel Grauf berichten darf, ein Exmitglied der NPD. Der Mitarbeiter zweier AfD-Landtagsabgeordneter hat sich mit rechtsextremen Äußerungen bei Facebook hervorgetan. Hier geht es zum „Kontext“-Bericht, hier zur Pressemitteilung des OLG und hier zu einer Nachlese der taz.
 
Vor Kurzem haben wir Sie auf die Konferenz „reclaim public discourse“ der Rudolf-Augstein-Stiftung hingewiesen, die nun am 22. Februar in Hamburg stattfand. Dabei ging es um die Frage, wie Journalistinnen über Populisten berichten können, ohne sich zu ihren Handlangern zu machen, indem sie ihnen zur Öffentlichkeit verhelfen. Magdalena Taube berichtet nun auf piqd.de, wie Kollegen „der Populismusmaschine den Sauerstoff entziehen“ können. Und verweist auf den Beitrag der Kommunikationswissenschaftlerin Whitney Phillips über Medienmanipulation – ein höchst lesenswerter, umfangreicher Bericht in drei Teilen.
 
Wir sind ja sehr dafür, dass Journalisten ihre fotografierenden Kolleginnen anständig bezahlen, wenn sie ihre Fotos nutzen. Aber manche Bildschaffenden scheinen auf ein fragwürdiges Geschäftsmodell zurückzugreifen: Sie geben zwar ihre Fotos unter Creative-Commons-Lizenzen frei, was bedeutet, dass ihre Bilder kostenlos genutzt werden können, sofern man sich an diverse Lizenzverpflichtungen hält (Namensnennung des Urhebers etc.). Aber bei den mitunter komplizierten Verpflichtungen kann man sich vertun, und das kann dann teuer werden. Dass hinter mancher Abmahnung eine „systematische Masche“ steckt, glaubt das Amtsgericht Würzburg (Az. 18 C 611-18). Es wies nicht nur die Forderungen eines abmahnenden Fotografen zurück, sondern sprach dem Betroffenen sogar Schadensersatzansprüche zu, weil der einen Anwalt beauftragen musste, um sich zu wehren. Der Medienjournalist und Freischreiber Henry Steinhau berichtet ausführlich über den Fall bei irights.info.
 
 
Freischreiberiges
 
Freischreiberin Jana Hauschild hat am 7. Februar ein Buch über sogenannte Schattenkinder veröffentlicht – die sie selbst „Sonnenkinder“ nennt. Es sind die Geschwister psychisch erkrankter Kinder, die viel leisten müssen, aber wenig gesehen werden. Hauschilds Buch „Übersehene Geschwister – Das Leben als Bruder oder Schwester psychisch Erkrankter“ ist im Beltz Verlag erschienen. Zur Leseprobe geht es da entlang.
 
Podcast zum Thema Migräne: Freischreiberin Bianca Leppert hat seit mehr als 20 Jahren Migräne und nennt das ihre „Superkraft“, weil „Menschen mit Migräne wirklich manchmal Superkräfte brauchen, um ihren Alltag zu bewältigen. Zum anderen weil ihre Sinne besonders geschärft sind – sie also tatsächlich Superkräfte haben.“ Den Podcast mit vielen hilfreichen Tipps für Migränegeplagte finden Sie hier.
 
 
Seminare, Stipendien und Preise
 
Es gibt noch freie Plätze bei den Seminaren/Webinaren der Journalisten-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Vom 18.–20. März und vom 25.–26. März geht es in einem Webinar um Social Media für Einsteigerinnen, jeweils von 17–18.15 Uhr. Und am 28. März in einem Seminar in Berlin um den Umgang mit Pressesprechern. Weitere Infos hier.

Auch hier sind noch freie Plätze zu haben: Freischreiberin Caroline Schmidt-Gross hält an der Akademie für Publizistik Hamburg ein Seminar zu „Moderation von Podiumsdiskussionen“. Vom 15.–16. April geht es vor allem um die Präsenz von Moderatoren, aber auch um die Planung und Themenvorbereitung. Mit praktischen Übungen und Videobegleitung.
 
Die internationale Filmschule Köln (ifs) hat ihre Bewerbungsfrist für den internationalen Masterstudiengang Serial Storytelling noch bis zum 11. März verlängert: „Studienstart ist September 2019“, heißt es in der Pressemitteilung der ifs. „Im Fokus dieses zweijährigen nicht-konsekutiven Studiengangs stehen Drehbuchhandwerk, kooperatives Schreiben („Writersʼ Room“-Modelle) und künstlerische Forschung.“ Die Bewerbungsunterlagen finden sich hier.
 
Deadline für den Marlies-Hesse-Nachwuchspreis 2019 ist bereits am 1. März. Journalistinnen unter 35 Jahren können sich mit kritischen Beiträgen (online, Film, Print oder Hörfunk) über die Beziehung zwischen Mann und Frau bewerben.
 
Recherchestipendien bis zu 8000 Euro gibt es für Journalisten und Reporterteams als „Reporters in the Field“. Die Robert-Bosch-Stiftung fördert vertiefte Recherchen und international gemischte Teams für grenzüberschreitende Rechercheprojekte. Bewerbungsschluss ist am 3. März.
 
Call for Paper
 
Science Notes ist ein „Magazin für Wissen und Gesellschaft“, das die Universität Tübingen herausbringt. Das Magazin experimentiert mit neuen Formen des Wissenschaftsjournalismus. Inzwischen sind drei Ausgaben auf der Welt, für Nummer vier werden nun aktuell Beiträge gesucht, zum Thema „zusammen“. Die Redaktion schreibt in ihrem Call for Paper: „Was hält, bringt, klebt, schweißt zusammen? Wer arbeitet Hand
in Hand, welche Organismen bilden eine Einheit … Was funktioniert nicht ohne seinen Gegenpart? Dazu suchen wir spannende, informative, überraschende und ungewöhnliche Geschichten, Berichte und Geschehnisse an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft, gerne um die Ecke gedacht und aus der ganzen Bandbreite der Disziplinen geschöpft.“ Mehr Infos für Fotografinnen, Illustratoren und Journalistinnen finden sich hier.
 
Mit Fußball haben wir angefangen, mit Fußball hören wir auf. In New York gibt es einen Fanclub des Hamburger Fußballvereins St. Pauli, die „East River Pirates“. Er trifft sich in Brooklyn zum gemeinsamen Fußballgucken, wenn St. Pauli wieder kickt. Das wollte sich ein Reporter von bild.de genauer ansehen. Doch die „East River Pirates“ schickten ihm eine Ausladung, die es an Deutlichkeit nicht fehlen ließ: „Our fan club is not open for any stories in your piece of shit paper.“ Dass sich der Reporter darüber hinwegsetzte und wie die Pirates auf seinen Besuch reagierten, lesen Sie bei Bildblog.de. Viel Vergnügen! You’ll never walk alone.
 
Das war es wieder von uns. Genießen Sie den Frühling!
 
Herzlichst,
Ihre Freischreiber