vom 12T04:30:00+00:00.02.2020

12. Februar 2020

Es ist so weit: Wir schreiben die Bibel neu.

 

Liebe Freischreiberïnnen, liebe Kollegïnnen
und liebe Freundïnnen von Freischreiber,

 

in der digitalen Medienwelt scheint es eine Sehnsucht nach Weniger zu geben. Darauf hat uns der Piqer Simon Hurtz aufmerksam gemacht und auf diesen Beitrag bei Digiday.com. Der britische Guardian, seit 2018 wieder in der Gewinnzone, hat im vergangenen Jahr ein Drittel (!) weniger Inhalte veröffentlicht. Und trotzdem die Rate seiner monatlichen Unique Users steigern können. Ähnliches zeigte sich bei der französischen Zeitung Le Monde. 25 Prozent weniger Artikel zwischen 2017 und 2019 und trotzdem elf Prozent Reichweitenzuwachs. Offenbar macht es keinen Unterschied, ob ein digitales Magazin 100, 500 oder 1000 Artikel veröffentlicht, so das Fazit des dänischen Medienanalysten Thomas Baekdal. Was zählt, ist die Qualität der Stücke und das Interesse der Leserïnnen daran. Heißt aber auch: Reduzieren ist das eine. Das andere ist: besser werden.

 

Neues aus dem Vorstand

Apropos besser werden: Ende Januar trafen sich die neuen und die alten Vorstandsmitglieder im hessischen Knüllwald zur Jahresklausur. Wo sich Fuchs und Luchs Gute Nacht sagen, gab es für uns drei Tage lang Zeit zum Nachdenken, Rumalbern, Ideen sammeln und Positionen finden. „Es ist immer ein bisschen wie Klassentreffen und Tagungsmarathon in einem“, beschreibt Carola Dorner, Vorstandsvorsitzende, was sich dort abspielt. „Wie anstrengend das Wochenende ist, merken wir immer erst, wenn wir Tage danach noch übernächtigt und erkältet sind. Aber es hat sich gelohnt.“ 

Hat es. Es gibt ambitionierte Pläne für die Zukunft. Wir basteln an einer neuen Website, erstellen den nächsten Honorarreport mit frischen Daten aus unserem Tool wasjournalistenverdienen.de. Wir stürzen uns kopfüber in eine neue Freienbibel. Versorgen den Nachwuchs mit Crashkursen, Webinaren, Slack-Chats und dem Tandem-Programm. Und planen im Spätherbst einen Zukunftstag. So. Was vergessen? Ja, unser bärenstarkes neues Social-Media-Team – Anna Heidelberg-Stein, Nicola Kuhrt und Caroline Schmidt-Gross –, das sich um Twitter, Facebook und Instagram kümmert und nach dem Motto arbeitet: Dieser Verband schläft nie.

Und: die Premiere unseres VG-Wort-Notdienstes am 31. Januar für unsere Mitglieder. Bis Punkt Mitternacht leistete Vorstand Oliver Eberhardt im Freischreiber-Slack-Chat Erste Hilfe beim Eingeben der VG-Wort-Meldungen. Danach musste er zwar ins Sauerstoffzelt, aber für viele Kollegïnnen hat es sich gelohnt. Wenn Sie wissen wollen, wer jetzt bei uns wofür zuständig ist, klicken Sie hier drauf
 


 Mitmachen und Ärmel hochkrempeln: Jetzt :Freischreiberin (oder :Fördermitglied) werden! 


 

Jetzt zu einer sehr ernsten Angelegenheit. Wir im Freischreiber-Vorstand wollen uns ja immer erst dann öffentlich zu Wort melden, wenn wir uns einer Sache sicher sind. Im Fall von Julian Assange hat das eine Weile gedauert. Nun aber – wie bereits auf anderen Kanälen verbreitet – schließen wir uns in vollem Umfang der Position von Netzwerk Recherche an, die man hier nachlesen kann: Julian Assange muss unverzüglich freigelassen werden.

Davor haben wir sehr kontrovers und sehr lange über die Causa Assange diskutiert. Dass der Mann durch die Missachtung von Quellenschutz Menschen in Lebensgefahr gebracht hat, fanden wir unverzeihlich. Genauso wie die Tatsache, dass er sich vor Trumps Wahlkampfkarren hat spannen lassen, indem er gehackte Mails von Hillary Clinton veröffentlichte. Doch dann kam das Interview des UN-Sonderberichterstatters Nils Melzer im Magazin republik.ch. Und ab da war alles anders. Wir zitieren aus diesem Interview, weil es so markerschütternd ist:

„Es geht um die Einschüchterung anderer Journalisten. … Die Botschaft an uns alle ist: Das ist es, was mit euch passiert, wenn ihr das Modell Wikileaks kopiert. Ein Modell, das so gefährlich ist, weil es so einfach ist: Menschen, die an brisante Informationen ihrer Regierungen oder Firmen gelangt sind, übermitteln diese an Wikileaks, und der Whistle­blower bleibt dabei anonym. Wie bedrohlich das empfunden wird, zeigt sich an der Reaktion: Vier demokratische Staaten schliessen sich zusammen, USA, Ecuador, Schweden und Grossbritannien, um mit ihrer geballten Macht aus einem Mann ein Monster zu machen, damit man ihn nachher auf dem Scheiter­haufen verbrennen kann, ohne dass jemand aufschreit. Der Fall ist ein Riesen­skandal und die Bankrott­erklärung der westlichen Rechts­staatlichkeit. Wenn Julian Assange verurteilt wird, dann ist das ein Todes­urteil für die Pressefreiheit. … Konkret bedeutet das, dass Sie als Journalist sich jetzt wehren müssen. Denn wenn investigativer Journalismus einmal als Spionage eingestuft wird und überall auf der Welt verfolgt werden kann, folgen Zensur und Tyrannei. Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System.“

 Wenn Sie die Petition zur Freilassung Assanges unterzeichnen wollen, hier ist sie. Mehr über das Interview mit Nils Melzer finden Sie hier in der Süddeutschen Zeitung. Und hier gibt es eine persönliche Stellungnahme der Journalistin Bettina Gaus in der taz.

 

Freischreiberiges

Der Kinderkrimi „Die Klima-Checker: Schluss mit Plastik“ von Freischreiberin Veronika Wiggert erscheint am 2. März. Es ist ein Umweltkrimi für Kinder ab 10 Jahren – und bearbeitet als fiktive Geschichte die Themen: Plastik, Klimawandel, Umwelt. Am 12. März liest Veronika auf der Leipziger Buchmesse aus ihrem Buch. Verlag World for kids, 140 Seiten, 14 Euro. 

 

Dies & das

Eine Feier für den unabhängigen Journalismus, verbunden mit einer Zukunftsdebatte am 1. März ab 14 Uhr in Zürich, Eintritt frei: Gastgeberin ist das Onlinemagazin Republik. Derzeit kämpft das Magazin um sein Fortbestehen und braucht dafür bis Ende März insgesamt 19.000 Unterstützerïnnen oder 2,2 Millionen Franken. Noch fehlen der Republik 2500 Freundïnnen des unabhängigen Journalismus. Aber die Macherïnnen sind wieder verhalten optimistisch und wollen am Zukunftstag „arbeiten, denken, diskutieren – und auch ein bisschen feiern. Von 14 Uhr bis allermindestens Geisterstunde.“

Und hier veröffentlicht die Republik eine Zwischenbilanz der vergangenen zwei Jahre: Was hat die Redaktion aus ihrem Experiment gelernt? Was funktioniert, wo muss sie sich verändern? Plus ein Beitrag zur Reichweite der Republik und wie sie Leserïnnen gewinnt – oder verliert.

Die Berliner Journalistenschule macht im März einen zweitägigen Kurs zu Wissenschaftsjournalismus mit Annette Bolz. Darin geht es um das Einordnen von Studien und Quellen oder darum, wie Statistiken gelesen und Wissenschaftsthemen bewertet werden. 17.–18. März, Gebühr: 440 Euro.

Interessieren sich ältere Journalistïnnen für die jüngeren? Und falls ja: Wissen sie auch, wie sie diese Zielgruppe erreichen? Welche Plattformen müssen Medien dafür bespielen, wie müssen sich ihre Inhalte ändern? Diese Fragen stehen im Zentrum des Workshops „Media for Millenials“, den das Vocer Millenial Lab anbietet. Für: 15 Journalistïnnen. Kosten: 20 Euro. Am 20. und 21. März in Bielefeld, mehr Infos hier.

Vom 2.–3. April veranstaltet die Friedrich-Ebert-Stiftung einen Workshop zum Thema Medien- und Urheberrecht: „Was ist in Deutschland für Journalist_innen erlaubt?“ Darin geht es um die wichtigsten Presserechtsfälle aus der jüngeren Vergangenheit und um Fragen wie diese: „Können Sie interne Papiere, die Ihnen zugespielt wurden, ohne Weiteres veröffentlichen?“ oder „Was tun, wenn vor Veröffentlichung eine ,Unterlassungserklärung‘ in die Redaktion flattert?“ Weitere Schwerpunkte der Veranstaltung liegen auf dem Urheberrecht und der Kriminalberichterstattung. Gebühr: 210 Euro, hier geht’s zum Anmelde-Link.

Das Recherchezentrum Correctiv hat Redebedarf. Es geht um Auslandsberichterstattung und unsere Sicht auf die Welt, die uns Reporterïnnen und Korrespondentïnnen vermitteln. Aber tun sie das gut genug, wie steht es um ihre Voreingenommenheit? „Hey Auslandsberichterstattung, wir müssen reden!“ ist der Titel einer Diskussionsrunde, die am 6. April von 16–18.30 Uhr in Berlin stattfindet. Mit internationalen Gästen, darunter Natalie Nougayrède, Kolumnistin und Mitglied der Chefredaktion des Guardian. Die Diskussionsrunde ist kostenfrei und findet in den Räumen der Robert Bosch Stiftung statt, siehe Infos.

Deniz Yücel und Mesale Tolu stehen wieder vor Gericht. Am 13. Februar wird der Prozess gegen Yücel fortgesetzt, am 25. Februar der gegen Mesale Tolu. Reporter ohne Grenzen fordert den sofortigen Freispruch der beiden Kollegïnnen und erinnert auch „an das Schicksal der mindestens 22 vor Ort wegen ihrer Arbeit inhaftierten Journalistinnen und Journalisten, die einem willkürlichen Justizsystem ausgesetzt sind“.

 

Lesetipps

Wir wissen schon alles über die Klimakrise? Und wollen nicht noch mehr darüber lesen? Nein, wir wissen beileibe nicht alles. Schon gar nicht, wie sie sich am eigenen Leib anfühlt, in unseren vermeintlich sicheren Ländern. Hier kommt eine Geschichte aus Norwegen, die spürbar macht, was die Erderwärmung für einzelne Menschen bedeutet: etwa für die Bäuerin, die wegen der Dürre ihre geliebten Rinder zum Schlachter bringen muss. Oder für den Farmer, der nach einer Jahrhundertflut keine Anbauhänge mehr hat. Das Stück heißt „Something is happening to Norway“, wir legen es Ihnen dringend ans Herz.  

Wie lässt sich Burn-out verhindern? Die freie Journalistin Anya Meyerowitz aus London hat Burn-out am eigenen Leib erlebt. Und weiß nach acht anstrengenden Monaten, wie man da wieder rauskommt. Hier sind ihre fünf Tipps.

Wogegen allerdings kein Kraut gewachsen zu sein scheint, ist die Einstellung der Bundesregierung zu Medien und ihrer Verbreitung. Da steckt man noch im Pleistozän und bleibt wohl auch da. Anders ist die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke nicht zu erklären. In der Anfrage ging es um die staatliche Förderung der Pressezustellung. Wenig zeitgemäß, fanden die Bundestagsabgeordneten. Und schrieben: „Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation der Medien und seit Jahrzehnten sinkender Zeitungsauflagen ist nach Ansicht der Fragesteller die bloße Fokussierung auf die Vertriebsstruktur anhand von Auflagenhöhen kein zeitgemäßes Förderkonzept. Vielmehr bedarf es nach Ansicht der Fragesteller für eine nachhaltige und kohärente Stärkung von publizistischer Vielfalt und gutem Journalismus umfassendere Förderkonzepte, die insbesondere kleine Lokalredaktionen im ländlichen Raum stärken und unabhängigen Journalismus im Sinne der Pressevielfalt als Förderkriterium adressieren.“

Das weiß die Bundesregierung aber besser. Sie erwiderte: „Grundlage für die Überlegungen der Bundesregierung ist die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die laufende Legislaturperiode festgehaltene Vereinbarung, die bundesweite Versorgung mit Presseerzeugnissen flächendeckend sicherzustellen. Da Zeitschriften überwiegend per Post zugestellt werden, wird sich hierbei zunächst auf Abonnementzeitungen und Anzeigenblätter konzentriert.“

Das war es wieder von uns. Bleiben Sie uns gewogen, oder kommen Sie gleich ganz zu uns.

Ihre Freischreiberïnnen

 

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Nach der VGWort-Deadline ist vor der VGWort-Deadline. Alles was man dazu wissen muss, erfahren Mitglieder jederzeit im Slack-Kanal #vgwort.


Freischreiber-Abend in Fürth am 10. März. Infos und Anmeldung hier.

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