vom 10T12:11:08+00:00.09.2020

10. September 2020

Mysterium Geschäftsmodell  

Liebe Freischreiber*innen,
liebe Kolleg*innen,

der Sommer hat seinen Rollkoffer gepackt und ist unterwegs Richtung Süden. Langsam wird es Zeit, sich auf ruhigere Tage einzustellen, fernab von Badeseen, Grillplätzen oder dem heimischen Balkon, wo man sich langsam eine Jacke anzieht. Was steht an – oder was könnte anstehen? Neue Projekte? Endlich mal die lange Strecke schreiben, die man schon lange schreiben wollte? Oder wenigstens die Steuer für letztes Jahr abgeben? Wo ist noch mal das Elster-Passwort? 

Immer mehr Kontur nimmt die kommende Freienbibel an. Der neueste Beitrag von Freischreiber Jan Schwenkenbecher widmet sich einem Mysterium wie einer Notwendigkeit: dem kritischen Blick auf das Geschäftsmodell, dem man folgt. „Letztlich empfehlen viele Anleitungen zur Entwicklung eines Geschäftsmodells, dass man sich noch überlegt, wie das Produkt hergestellt wird“, schreibt er in seinem Bibelblog-Beitrag: „Beim herkömmlichen Journalismus scheint das recht simpel: ihr recherchiert, schreibt oder schneidet, fertig. Trotzdem lohnt es sich vielleicht, nach ein paar verschiedenen Aufträgen mal zu resümieren, welche Art Auftrag wie rentabel ist (hereingegebene Zeit vs. herausbekommene Euro). Die meiste Zeit fressen oft die Sachen, die wir nicht auf dem Schirm haben, von der Reiseplanung bis zur Transkription. Und wenn ihr schließlich komplexere Aufträge übernehmen wollt (ein ganzes Heft erstellen, eine multimediale Kampagne erarbeiten), dann solltet ihr vorab schon mehr als ein paar Gedanken investieren, um herauszufinden, welche Partner ihr dafür braucht (Grafiker, Fotografen, Layouter, …), wo ihr sie herbekommt und auf welcher Basis ihr zusammenarbeitet. Schnell kann ein Großauftrag zum großen Minusgeschäft werden.“ Kluge Gedanken, wie wir finden. Die neue Freienbibel soll prall gefüllt werden mit solchen Beiträgen. Deshalb werden wir in den kommenden Newslettern immer wieder mal auf dieses Freischreiber-Herzensthema zu sprechen kommen. 
 
Freischreiberiges

Damit das mit dem Geschäftsmodell gut klappt, sollte man auch einen Blick auf die Verträge werfen, die man vorgelegt bekommt – Stichwort Total-Buy-out, Haftung, Quellenschutz. Das tun wir in Kooperation mit der Wissenschaftspressekonferenz (wpk) am 21. September mit Stephan Zimprich im Webinar Vertragsrecht für freie Journalist*innen. Infos und Anmeldung hier. Nur für Mitglieder.   

Braucht es für das neue Geschäftsmodell Erfolg auf Instagram, sollte man möglichst Bikini-Fotos posten – hat ein Team von AlgorithmWatch und dem European Data Journalism Network herausgefunden. Was genau AlgorithmWatch macht, erklärt uns Matthias Spielkamp von AlgorithmWatch am 16. September in unserer nächsten digitalen Mittagspause für Mitglieder. Infos und Anmeldung hier
 


 Mitmachen und Ärmel hochkrempeln: Jetzt :Freischreiberin (oder :Fördermitglied) werden! 


 

Freischreiber Raphael Thelen war letztes Jahr viel als reisender Reporter in Ostdeutschland unterwegs und hat sich durchaus in düstere Ecken vorgewagt, in denen zuweilen unfreundliche Leute warteten. Mittlerweile ist er mit seiner Partnerin Theresa Leisgang als Klima-Reporter unterwegs gewesen – unterbrochen durch Corona: Sie landeten in dem feministischen Hausprojekt „Haus des Wandels“ in Brandenburg, und die Zwangspause gab ihnen die Möglichkeit der Bestandsaufnahme: „Wie leben wir eigentlich? Ist es eigentlich so, wie wir es wollen? Und vor allem: Entspricht das unseren politischen Idealen?“, schreiben sie uns. Nun geht es weiter Richtung Großbritannien, dann nach Skandinavien und in die Arktis. Wo die beiden schon waren und was sie erleben werden, kann man hier verfolgen.

Klima – dazu passt ein langer Beitrag von Freischreiberin und RiffReporterin Tanja Krämer im „Journalist“. Sie fordert nichts geringeres als eine Neupositionierung des Umweltjournalismus: „Es ist schön, dass die Berichterstattung über Umweltthemen zugenommen hat. Aber es reicht nicht. Verlage müssen erkennen, dass Berichterstattung über unsere Lebensgrundlagen nicht nur ‚nice to have‘, also eigentlich Luxus ist, sondern den klassischen Ressorts an Bedeutung mindestens ebenbürtig. Umwelt ist nicht nur ein Thema, sondern ein Geflecht, das alle anderen Themen umspannt und durchdringt. Es wäre an der Zeit, dies in den Arbeitsabläufen abzubilden – und die UmweltjournalistInnen endlich mitten in der Redaktion zu platzieren, am besten an ressortübergreifenden Reporter-Tischen. Auch, weil die für Umwelt zuständigen KollegInnen sich stärker mit anderen Feldern vernetzen und in ihren eigenen Berichten wirtschaftliche und kulturelle Aspekte häufiger berücksichtigen sollten.“

Freischreiberin Carina Frey hat sich dagegen mit ihren Kollegen Rainer Kurlemann und Alexander Mäder – auch sie RiffReporter*innen – das Thema der „24-Stunden-Pflege“ vorgenommen: „In Deutschland wohnen schätzungsweise 300.000 Frauen aus Mittel-​ und Osteuropa für mehrere Monate bei pflegebedürftigen Menschen zu Hause und übernehmen deren Versorgung. Damit setzt rund jeder achte Pflegehaushalt auf dieses Modell. Die Frauen werden meist dann engagiert, wenn eine umfassende Pflege oder Betreuung notwendig ist – etwa bei Demenzkranken, die ständig beaufsichtigt werden müssen. Die Familien stehen oft vor einem Dilemma: Einerseits wollen sie ihren Angehörigen ermöglichen, zu Hause wohnen zu bleiben, andererseits können sie die zeitlich aufwändige Betreuung nicht selbst übernehmen. Es fehlt an Unterstützung, da Pflege hierzulande immer noch vorrangig als Aufgabe der Familien gesehen wird. Die 24-​Stunden-Pflege durch eine Frau aus Osteuropa scheint oftmals die einzige (finanzierbare) Lösung zu sein.“

Freischreiber Florian Sturm beschäftigt sich auf „Übermedien“ mit der Sphäre des Bildjournalismus und dem dortigen Geschlechterverhältnis. Er hat sich dazu 16 Publikationen angeschaut, vom Magazin bis zur Tageszeitung, und einfach nachgezählt, wer für Fotos engagiert wird und wer eher nicht: „Im Mittel aller 16 Publikationen liegt der Anteil von Fotografinnen bei lediglich 15 Prozent.“ Sozusagen Spitzenreiter ist die „Dummy“ mit 42 Prozent; am unteren Ende finden sich die „Süddeutsche Zeitung“ mit sechs und die „Berliner Zeitung“ mit zwei Prozent.
 
Dazu passt ein Interview auf der Seite unseres Partnerverbandes Freelens, in dem die Soziologin Renate Ruhne im Gespräch mit drei Fotografinnen ebenfalls die Lage sondiert. Dazu ein schönes Zitat von der Fotografin Paula Markert: „Dazu fällt mir noch eine Anekdote mit einer Redaktion ein. Ich hatte dort angerufen, um ein Thema vorzuschlagen, das zu dem Zeitpunkt ein ziemlich großer Aufreger in den Schlagzeilen war. Ich rief also da an und sagte: ‚Hey, ich würde das gerne fotografieren. Habt ihr schon jemanden? Ich würde das gerne machen.‘ Und da hat die Bildchefin gesagt: ‚Ach echt? Traust du dir das zu? Ich hätte da jetzt einen Mann hingeschickt‘. Also, das war jetzt nicht Irak, sondern es ging um Jugendliche. Aber dann fragt man sich natürlich schon erst mal: ‚Äh? Hab’ ich da irgendwas nicht mitgekriegt? Ist da irgendwas mega gefährlich?‘ oder: ‚Hab’ ich da eine komische Selbstwahrnehmung?‘.“

Unter Freischreiberiges gehört in diesem Newsletter auch ein dickes Dankeschön an Freischreiberin Katharina Jakob, die unseren Newsletter die letzten Jahre geprägt hat, indem sie unzählige ehrenamtliche Stunden in das Verfassen und Redigieren gesteckt hat. Danke. Danke. Danke. Gute Newsletter-Schreiber*innen fallen nicht vom Himmel – daher kommt die Post von Freischreiber ab sofort erstmal alle vier Wochen, bis sich jemand an die großen Fußstapfen herantraut. 

Veranstaltungen
Die „Neuen deutschen Medienmacher*innen bieten im Rahmen ihres „No-Hate-Speech-Projekts“ am 24. September, 11 bis 12.30 Uhr, eine digitale Diskussions- und Austauschveranstaltung zum Umgang mit Bedrohungssituationen im Netz an. Dazu wird der Journalist und das Mitglied der Medienmacher*innen Mohamed Amjahid von seinen Erfahrungen berichten und dabei konkrete Tipps für Medienschaffende und Führungskräfte in Redaktionen an die Hand geben. Anmelden kann man sich bei Sina Laubenstein

Gleichfalls am 24. September, von 9 bis 18 Uhr, findet ein digitales Cashcamp statt, das sich digitalen Erlösmodellen widmet. Veranstalter ist das „Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW“. Angesprochen fühlen sollen sich YouTuber und Redakteur*innen, Verleger und Podcaster*innen. Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung wird gebeten. 

Preise und Wettbewerbe
Insgesamt 9.000 Euro an Preisgeldern sind ausgeschrieben für Print-, Online-, Audio- oder Videobeiträge zum Thema bürgerschaftliches Engagement. Dazu gesellt sich ein Recherchestipendium in Höhe von 4.000 Euro. Bewerben können sich alle haupt- oder nebenberuflich journalistisch tätigen Personen, der Bewerbungsschluss ist jeweils der 31.10.2020. 

Der Bundesverband niedergelassener Kardiologen bittet um Aufmerksamkeit für seinen Wettbewerb Kardiologie am Puls der Zeit: Was leisten moderne Medikamente bei der Therapie von Herzerkrankungen?“ und sucht dafür entsprechende Beiträge. Im Topf liegen 2.000 Euro, Bewerbungsschluss ist bereits der 1. Oktober.

Explizit an Journalist*innen mit Behinderung wendet sich ein Recherchestipendium von „Leidmedien“ und hält dafür viermal je 2.500 Euro bereit. Anliegen ist es auch, den so genannten konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus zu fördern: „Der Themenbereich ist dabei völlig offen. Wichtig ist, den geplanten Beitrag in der Bewerbung genau zu skizzieren.“

Ein Klassiker zuletzt: der „Reporter-Preis“. Ausgeschrieben diesmal in elf Kategorien – von „Beste Reportage“ über „Beste Investigation“, „Beste Lokalreportage“ bis „Bestes Interview“. Neu ist die Kategorie „Beste Kulturreportage“. Einreichen muss man seine Beiträge bis zum 1. Oktober. Eine Vorjury sortiert entsprechend vor. Wir werben insbesondere bei freien Kolleg*innen dafür, sich in der Kategorie Freie(r) Reporter*in zu bewerben. Traut euch, ihr seid gut! 

Das war’s auch schon wieder. Zum Schluss und zum Ausklang empfehlen wir mal etwas völlig ungewohntes: ein Hörspiel von Hans Thill. Denn: „Ein Autor will einen Text über Fische schreiben. Er sollte ihn auch schreiben, denn es wurde ihm gutes Geld angeboten. Aber Fische…? Dazu fällt ihm erstmal nichts ein. Sein Umfeld hat auch keine hilfreichen Antworten: ‚Fische sind plump, kalt, nicht witzig!‘ Also muss er die Biologie befragen! Die Suche ausweiten in die mythologischen und biblischen Geschichten, in das Feld der Kunst! Nachdenken, Kalauern, Verwerfen!…“

Viel Spaß und kommen Sie gut durch den Frühherbst!

Ihre
Freischreiber*innen
 

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Was steht drin im Honorarreport 2020? Hier online nachlesen




Für Mitglieder: Mittagspause mit Matthias Spielkamp von AlgorithmWatch am 16. September. Infos und Anmeldung hier


Vertragrecht für freie Journalist*innen – Webinar mit Stephan Zimprich am 21. September in Kooperation mit der wpk Wissenschafts-pressekonferenz. Infos und Anmeldung hier


Hier geht´s zum Freienbibel-Blog, der Vorform der nächsten komplett neuen Freienbibel mit aktuellen Infos zur Recherche in Zeiten von Corona, Inspirations-Camp und vielem mehr. 

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