Freischreiber-Honorarreport 2020
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7. Oktober 2022

Freischreiber-Honorarreport 2020

Nennt es nicht Honorar! Taschengeld für freie Lokaljournalist*innen.

Hamburg, 19.06.2020: Freischreiber sammelt seit Oktober 2018 über das Honorartool wasjournalistenverdienen.de anonyme Angaben zu Honoraren und Gehältern von Journalist*innen. Die aktuelle Auswertung der Daten mit Fokus auf den lokalen Tageszeitungsjournalismus ergab: In einem der wichtigsten Ressorts unserer Branche gibt es für rund ein Viertel der freien Journalist*innen kein Honorar, sondern ein Taschengeld. Zudem hat sich das unterirdische Brutto-Stundenhonorar freier Journalist*innen aus dem vergangenen Jahr bestätigt: 22,73 Euro im Mittel[1] – vor Abzug von Steuern und ohne die Kosten von Arbeitsmitteln, Akquise- und Recherchezeit sowie Urlaubs- und Krankheitstage.

Über Geld zu sprechen ist für freie Journalist*innen existenzentscheidend. Deshalb haben wir unser Honorartool entwickelt, in dem freie Kolleg*innen und Festangestellte ihre Honorare und Gehälter eintragen können – anonym, aber für alle einsehbar. Das Projekt ist eine Kooperation des Freischreiber-Verbands und der beiden Journalisten Haluka Maier-Borst, freier Wissenschafts- und Daten-Journalist unter anderem beim rbb, und Michel Penke, ebenfalls Daten-Journalist bei Correctiv.

Im diesem Jahr erlauben uns die 2064 Datenspenden einen tieferen Einblick in das, was die Branche zahlt. Die Grundlage des ersten Reports 2019 waren noch 1443 Datensätze.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

– Unterirdische Bezahlung für freie Journalist*innen: Im Mittel sind es 22,73 Euro brutto pro Stunde.

– Extreme Bandbreite der Honorare: Für 1000 Zeichen können Freie zwischen acht und 200 Euro bekommen, abhängig vom Medium, für das sie arbeiten.

– Immer noch mehr Geld für Print: Am schlechtesten werden die Kolleg*innen bezahlt, die Inhalte digital und analog liefern.

Schwerpunkt lokale Tageszeitungen:

– Taschengeld für Lokaljournalist*innen: 26,2 Prozent aller freien Lokaljournalist*innen verdienen maximal 10 Euro brutto pro Stunde, bei überregionalen Tageszeitungen sind es 22,4 Prozent.

– Insgesamt weniger Geld für Lokaljournalist*innen: Im Lokalen liegt der Honorar-Median noch unter dem Wert, den wir für alle freie Journalist*innen ermittelt haben: bei 18,64 Euro.

– Und es geht noch schlechter: 8,1 Prozent der Freien bei überregionalen Tageszeitungen arbeiten für unter 5 Euro brutto die Stunde, 4,8 Prozent tun das bei den regionalen Tageszeitungen.

Im vergangenen Jahr schrieben wir: „Ein Brutto-Stundensatz von 22,50 Euro – das ist widerwärtig. Davon sollten Journalist*innen nicht leben müssen. Und es auch gar nicht erst versuchen.“

Die Ergebnisse in diesem Jahr sind ein einziger Skandal. Dabei ist der Lokaljournalismus systemrelevant für die Demokratie. Unsere Städte und Gemeinden brauchen gut ausgebildete Journalist*innen, die kritisch über die Geschehnisse vor Ort berichten. Und sie brauchen Verleger*innen, die sich ihrer Verantwortung stellen:

„Sie sind das Problem, Herr Schoo (Funke Mediengruppe), Herr Ippen (Verlagsgruppe Ippen), Herr Döpfner (Axel Springer SE), Herr Wegner (Südwestdeutsche Medien Holding), Herr Bauer (DuMont Schauberg), Herr Düffert (Madsack) und alle Ihre Kolleg*innen, die darüber entscheiden können, ob dieses Land eine Nachrichtenwüste wird. Investieren Sie in einen starken Lokaljournalismus, seien Sie mutig (Sie sind Unternehmer*innen), zahlen Sie anständige Honorare, ernten Sie. Sie könnten sich einen Namen machen.“

Katharina Jakob, stellvertr. Vorsitzende Freischreiber e. V., Autorin des Honorarreports

Daher fordert Freischreiber e. V.:

Von den Auftraggeber*innen: Sie wollen Qualität, die eierlegende Wollmilchsau als Reporter*in, handfeste Dokumentationen unserer Arbeitsweise, alle Rechte an unseren Werken – dann zahlen Sie Honorare, die diese Bezeichnung verdienen. Zahlen Sie anständig! An all die, die das jetzt schon tun, an dieser Stelle ein großer Dank.

Von den Politiker*innen: Schaffen Sie endlich Rahmenbedingungen, die uns freie Journalist*innen davor schützen, ausgenutzt und ausgenommen zu werden: Setzen Sie ein Verbot von Total-Buy-out-Verträgen um, sorgen Sie für den Erhalt des freien Journalismus, besonders im Lokalen.

Von den freien Journalist*innen: Hört auf, für Medien zu arbeiten, die euch unterirdisch bezahlen, verhandelt – immer! – und akzeptiert nicht die unverschämten Verträge, die euch die Auftraggeber*innen zur Unterschrift zusenden. Wir alle müssen uns bei denen bedanken, die das bereits machen. Es sind aber immer noch viel zu wenige.

Die Pressemitteilung als pdf hier.

[1] Gleitender Median: Wir haben nicht den Durchschnitt unserer Daten errechnet, sondern das mittlere Honorar pro Stunde, den sogenannten gleitenden Median. Der Unterschied besteht darin, dass wir nur die mittigsten Werte berücksichtigt haben, große Ausreißer nach oben und unten fielen so aus der Berechnung heraus. Bei der Durchschnittsberechnung zählen hingegen alle Werte, was zu größeren Verzerrungen führen kann.

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Über Freischreiber: Freischreiber wurde 2008 von freien Journalist*innen gegründet. Heute hat der Verband rund 800 Mitglieder. Wir engagieren uns gegen eine Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort, für bessere Arbeitsbedingungen freier Journalistinnen und Journalisten und bieten unseren Mitgliedern ein professionelles Netzwerk für Austausch auf Augenhöhe und berufliche Weiterbildung. Wir arbeiten an einer neuen Auflage der Freienbibel – dem Handbuch für freie Journalist*innen; wir fordern von unseren Auftraggebern Solidarität ein – nicht nur, aber besonders jetzt in der Corona-Krise; und wir setzen uns mit diesem Manifest gegen den Hass gegenüber Journalist*innen ein. Unterstützen Sie unsere Arbeit, werden Sie (Förder-)Mitglied.

Dem Vorstand gehören an: Dr. Carola Dorner (Berlin), Katharina Jakob (Hamburg), Dr. Jakob Vicari (Lüneburg), Jens Eber (Heidenheim), Oliver Eberhardt (Gross-Zimmern), Anna Heidelberg-Stein (Lüneburg) und Nicola Kuhrt (Hamburg).


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