Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
die dreizehnte These, der coolste Aufstieg, der nächste Webtalk – gleich geht es damit los. Erstmal aber schaukelt das Hoodie-Nachbeben das Medienbecken. Doch während Tanja Bücker im FAZ-Blog nachbebend abgehobene Nerds in einer neuen Art Elite-Uniform ausmacht ,Torsten Körner in Chrismon (nach herkömmlicher Recherche-Manier) historische Kapuzen ausgräbt, sprinten die geborenen Onliner unter den Kollegen hurtig durchs Netz. Beispiel? Die bisherige Online-Chefin Frauke Böger wird gerade in die Chefetage befördert, erst 2009 kam sie als Volontärin zur „taz“. Hier ist sie – hinten ohne – im Interview des NDR Magazin „Zapp“. Hallo? SZ-Printer? So geht das.
Aber Online kann auch ganz schön fertig machen, hat die Volontärin der sächsischen Freien Presse Cornelia Hennersdorf festgestellt. Auf dem Voloblog der Zeitung postet sie, das Onlinejournalismus zwar verdammt cool ist, weil die Nachrichtenwelt so viel schneller dreht. Dem Arbeiten „wie im Rausch“ aber folgte dann die gehetzte Ernüchterung beim Sortieren von Leserkommentare nach „beleidigend, bedrohend, pornonafisch, obszön, diffamierend, verleumdend, volksverhetzend oder rassistisch“. Nicht alle Wellen schlagenden Geschichten könnten gepostet werden, „weil die Flut der Kommentare uns regelrecht überrollen würde“.
Da sind sie also, die Leser. Online. Weswegen nicht zuletzt auch Hyperlokalblogs immer mehr an Klicks gewinnen. Zum Beispiel „Mainz&“ von Freischreiberin Gisela Kirschstein. Oder das „Weiterstadtnetz“ von Freischreiber Julian Heck, der mittlerweile sogar die Lokalseite der örtlichen Zeitung aufgeweckt (und zur Abkehr vom gemütlichen Bratwurst- gegen Artikeljournalismus gebracht) hat. Derzeit beschäftigt ihn, ob er auf die Anfragen umliegender Kommunen mit Expansion reagieren soll… Gutes Hyperlokales kann also ein Erfolgsmodell sein. Vielleicht sogar noch besser unter einer bekannten Dachmarke als Online-Print-Kombi? Das testet gerade die „Zeit“ an den Hamburgern: 200.000 Lokal-Exemplare werden jetzt als Postwurfsendung verteilt. Parallel dazu startet ein Onlineregional-Angebot mit Nachrichten und Veranstaltungstipps. Hier mehr.
Auch Special Interest scheint sich immer mehr zu spezialisieren: drei Newcomer auf dem Zeitschriftenmarkt heißen „Brot“ – „mutti kocht am besten“ vom Nachwuchs der Burda-Journalistenschule (und wird womöglich wie das vor Werbung strotzende „Share Magazin nur einmal als Abschlussarbeitsausgabe erscheinen) – und „Mein Landrezept“ (falkemedia) als E-Magazin. Nicht wirklich hoodie, finden wir und warten lieber auf die ersten digitalen Hefte und Leserkommentare mit „Substanz“. Hajo Hoffmann von Buchreport“ erzählen die „Die Jetzt-erst-recht-Verleger“ Georg Dahm und Denis Dilba vom Stand der Dinge ihrer speziellen Antwort auf die Medienkrise.
Und weil zeitgemäße Bezahlmodelle fürs Publizieren der Zukunft viel mit Teilen und Selbstvermarkten zu tun haben, lohnt sich ein Profil auf „torial“, ein Blick auf „vocer“ – und natürlich das Reinhören/-schauen in unseren knackigen Webtalk #freimittag Nr 6 – Achtung heute um 12 Uhr! Da spricht Yvonne Pöppelbaum mit Tabea Grzeszyk über hostwriter.org. Unter dieser Webadresse soll eine weltweite Kooperationsplattform für Journalisten entstehen. Ein Netzwerk, um Kollegen zu finden, die ähnliche Themen recherchieren, bei Visa-Fragen helfen oder einfach ihre Couch zum Übernachten zur Verfügung stellen. Zu sehen ist der Spreecast heute, Freitag 4.4. um 12h hier. Wer sich bei Spreecast registriert, kann direkt im Chat Fragen stellen. Alternativ einfach den Hashtag #freimittag auf Twitter nutzen.
Und die dreizehnte These? Freischreiber Kai Schächtele hat sich die zwölf Thesen der "Zeit"-Online-Kollegen von letzter Woche zum Spannungsfeld von Print und Online vorgenommen und sie entscheidend ergänzt: "Es hat keinen Sinn, über die Zukunft zu sprechen, wenn wir nicht endlich damit beginnen, gemeinsam zwischen Print und Online konstruktiv über Geld zu sprechen. Sonst lässt sich die Diskussion nicht vernünftig führen." Und so nimmt er sich den seltsamen, kaum diskutierten Zwiespalt vor: einerseits wird von Medien wie Zeit-Online bestens recherchierter, ethisch-lupenreiner Qualitätsjournalismus verlangt, aber so richtig zahlen möchte man dafür nicht. Weil unserseits ja mit Herz und Hirn und Leidenschaft dabei ist: "Ich habe neulich meine Vermieterin gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn ich, solange die Branche die Fragen nach dem Geld verschämt verschweigt, meine Miete von meiner Leidenschaft bezahlte. Klar, hat sie geantwortet, aber nur, wenn ich damit einverstanden sei, dass sie meine Wohnung bis dahin mit Liebe heizt."