[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 30.07.2017

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
ein Thema, das uns alle angeht – nicht nur die Freien –, hat die Otto-Brenner-Stiftung dieser Tage beackert. In seiner streitbaren Studie „Die Flüchtlingskrise und die Medien“ fragt Prof. Dr. Michael Haller: „Haben Medien angemessen, fair und informativ berichtet oder waren sie mehr politischer Akteur als objektiver Beobachter?“ Nach Sichtung von über 30.000 Zeitungsberichten kommt der Studienleiter zu dem Schluss, die Massenmedien hätten häufig die „Losungen der politischen Elite“ wiedergegeben, statt sich für die Lebenswirklichkeit des Publikums zu interessieren. Erst nach der Silvesternacht 2015/16 hätten sich Journalistinnen und Journalisten wieder verstärkt der „realen Wirklichkeit hinter der wohlklingenden Willkommensrhetorik gewidmet.“

Haben die Lügenpresse-Rufer also Recht? Haben die Medien versagt, wie etwa Die Zeit schlussfolgerte? So wollte die Otto-Brenner-Stiftung ihre Studie dann doch nicht verstanden wissen. Derartige Schlussfolgerungen seien eine „(über)pointierte Zuspitzung“ und „bedenkliche Akzentuierung“, schreibt die Stiftung. Wer sich ein eigenes Bild machen möchte: Die Studie ist im Internet kostenlos abrufbar.

Dumping-Honorare gibt es in unserer Branche leider viel zu oft. Dass man sich nicht damit abfinden muss, zeigt der Fall einer freien Journalistin, die sich vor Gericht wehrte. Die Funke-Gruppe muss ihr nun 8000 Euro nachzahlen. Die Journalistin hatte für ihre Beiträge in einer Lokalzeitung ein Zeilengeld von 20 Cent erhalten. Und für Fotos 7 bzw. 11 Euro – eine unterirdische Bezahlung, die sogar noch weit unter den (von den Verlegern inzwischen gekündigten) Gemeinsamen Vergütungsregeln lag. Mehrere Urteile in ähnlichen Fällen stehen derzeit noch aus.

 

Freischreiberiges

Die Freischreiber Regionalgruppe Südwest hat sich in Straßburg mit „We Report“ getroffen. Die Mitglieder des französischen Autorenkollektivs tun sich regelmäßig zusammen, um spannende grenzüberschreitende Geschichten zu machen, zum Beispiel über Korruption in Albanien, Minenarbeiter in Kambodscha oder „Anti-Macron-Bots“ aus Russland. Beteiligt bei „We Report“ ist Freischreiber Robert Schmidt, der seit mehreren Jahren in Frankreich lebt. Schmidt würde sich über weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter sehr freuen: „Für gute Geschichten suchen wir immer Verstärkung“, sagt Schmidt. „Nur so können wir Recherchen machen, die ein Einzelner niemals stemmen könnte.“ Wer also Lust hat: Einfach mal bei Schmidt anklopfen.

Freischreiber-Vorstandsmitglied Jacob Vicari hat Post von Google bekommen: Sein Antrag bei der „Digital News Initiative“ wurde bewilligt. Beim Projekt „Smart-Mirror“ widmet sich Vicari der Frage, wie sich Journalismus an die Kontexte seiner Leser anpassen muss. Zum Beispiel durch smarte Nachrichtenmöbel fürs Badezimmer. Die Zahnbürste spielt dann einen persönlichen Newsstream ab – die des Partners einen anderen.

Und noch ein weiteres interessantes Projekt von Jacob Vicari: der „Story Trolley“. Dabei handelt es sich um einen Einkaufswagen, der journalistische Geschichten erzählt. Immer wenn man ein Produkt hineinlegt, informiert er über das Produkt. Die Landeszeitung hat berichtet.

 

Dies und das“

Traurig, aber wahr: Auch in Deutschland geraten Journalistinnen und Journalisten ins Visier der Geheimdienste – die Akkreditierungsposse beim G20-Gipfel hat das wieder einmal bestätigt. Netzwerk Recherche (NR) weist darauf hin, dass die deutschen Geheimdienste verpflichtet sind, Auskunft über gespeicherte Daten zu erteilen. Damit die Anträge schneller gestellt werden können, hat NR einen Auskunftsgenerator erstellt. „Ziel dieses Projektes ist, in Zeiten der zunehmenden Massenüberwachung den Diensten zu zeigen, dass ihr Handeln von der Öffentlichkeit kritisch beobachtet wird“, schreibt NR. Hier geht es direkt zum Generator.

Haben Sie eigentlich noch alle Propeller in der Düse?“, fragt die Schriftstellerin Nina George in einer flammenden Wutrede auf Facebook. Auslöser war eine Anfrage, die die Lufthansa an sie gestellt hatte: Die Airline, die mit dem Hörbuch-Portal Audible zusammenarbeitet, wollte eines von Georges Werken im Bordprogramm anbieten – gegen eine Pauschale von 150 Euro. Da platze der Autorin, die sich seit Langem für ein gerechteres Urheberrecht einsetzt, der Kragen. Wir können ihre Antwort aber auch gerne zusammenfassen: „Nein, danke!“

Einen Zuschuss von 1000 Euro für die nächste Auslandsrecherche bietet das Hostwriter-Stipendium. Ausgelobt wird es für Journalistenteams, die eine grenzüberschreitende Recherche planen. Bewerbungsschluss ist der 31. Juli, und zwar hier.

 

Seminare, etc.

Digitales Arbeiten wird immer wichtiger, will aber gelernt sein. Das Forum Journalismus und Medien Wien (fjum) organisiert einen ausführlichen „Zertifikatskurs Digitaljournalismus“, in dem es um crossmediales Storytelling, Online-Recherche und Mobile Reporting geht. Die vier Blocktermine sind am 2. bis 6. Oktober 2017, 20. bis 24. November 2017, 5. bis 9. März 2018 sowie 23. bis 27. April 2018. Und jetzt das Beste: Das fjum lobt Recherchestipendien für freie Journalisten aus. Der normalerweise 4900 Euro teure Kurs ist dann für 400 Euro zu haben. Bewerbungsschluss ist der 31. Juli.

 

In diesem Sinne: Frohes Schaffen und eine gute Zeit!
Ihre
:Freischreiberinnen und :Freischreiber!

Termine:

Sommertreffen mit Bots am 10. August: In Mainz erklärt ARD.de-Mann Martin Walter, wie man die nützlichen Helfer journalistisch einsetzen kann. Anmeldung bei den Mainzer Freischreibern. Anmeldung hier.

Stammtisch in Köln. Am 22. August um 19.30 Uhr im Biergarten am Aachener Weiher. Freie aus Köln, Düsseldorf, Bonn, Aachen und Umland treffen sich zum zwanglosen Austausch. Anmeldung hier.