[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 06.06.2014

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
 

Vorab in eigener Sache: Das erste Medium hat den „Code of Fairness“ unterschrieben! Unsere zehn Punkte umfassende Richtschnur für einen fairen Umgang zwischen freien Journalisten und Journalistinnen und den Redaktionen und Verlagshäusern. Darin sind Standards festgehalten, wie dass Recherchen entsprechend ihres Zeitaufwandes angemessen bezahlt werden, dass „Themenklau“ ausgeschlossen ist oder dass innerhalb von zwei Wochen nach Abnahme eines Beitrages das Honorar überwiesen wird.

Und wer ist nun der Mutige, der Entschlossene, der Kluge, der unsere Wertvorstellungen teilt: Na, „Krautreporter“. Das vieldiskutierte Projekt um Sebastian Esser & Co, das plant ein tägliches Online-Magazin ans Licht der Welt zu bringen – finanziert durch Crowdfunding. Okay – kann sein, dass Magazin erscheint nicht wie geplant, weil die erforderlichen 15.000 Unterstützer nicht zusammen kommen. Aber noch tickt ja die Uhr. Und wir Freischreiber freuen uns über den ersten Unterzeichner und laden alle anderen Medien, für die wir arbeiten, ein, sich nochmal den CoF (wie wir ihn liebevoll nennen) in aller Ruhe anzuschauen und dann …

Und jetzt rein ins Mediengetümmel:

„Journalistisch betrachtet bestehe kein Zweifel daran, dass das offene Onlinezeitungsmodell gegenüber der Pay-Wall um Lichtjahre besser ist“, sagte der "Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger in einem Interview mit BBC-Radiomann Evan Davis, das die britische Pressgazette aufgegriffen hat. Die Bezahlschranke nennt er ein "Geschäftsmodell des 19. Jahrhundert". Allerdings muss er einräumen, dass er noch keine passende ökonomisches Strategie für seinen Lichttraum gefunden hat. So unbekümmert er seine Linie auch vertritt, die Online Leser äußern in ihrer Kritik in den Kommentaren einigermaßen gesittet zwar, aber unmissverständlich deutlich, dass sie ihn für einen (zu) gut bezahlten Träumer halten.

Wie das Konzept Guardian in echt aussieht, beschreibt Petra Sorge, die Onlinefrontfrau des "Cicero" in ihrem Aufsatz über die Chancen und Risiken des digitalen Journalismus auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung: „Wie schwer es ist, selbst mit exklusivem Recherchejournalismus ausreichende Werbeerlöse zu erzielen, zeigt das Beispiel des britischen „Guardian“. Die drittgrößte englischsprachige Nachrichtenwebseite der Welt verzeichnete im Zuge der Enthüllungen zur NSA-Affäre seit dem vergangenen Jahr enorme Zugriffe. Dennoch ist die Zeitung notorisch klamm: 2012 betrug das Minus 44,2 Millionen Pfund, 2013 immer noch 31 Millionen, wie das Branchenmagazin „Journalist“ ermittelte. Auch 2014 werde die Zeitung wieder Millionen verbrennen.“

Geld ist das eine Dauerthema, Schnelligkeit das andere. Und welches Pferd gewinnt? Petra Sorge ergeht sich nicht im Schade-alles-ist-so-beschleunigt-Lamento, sondern stellt nüchtern fest, das Chaos der Medienarbeit finde jetzt nicht mehr hinter den Kulissen statt, sondern eben auch in digitaler Echtzeit. Und fordert die Redaktionen dazu auf, transparenter und kritikfähiger zu werden. Und sie erinnert: „2007 prophezeiten Steffen Range und Roland Schweins dem Onlinejournalismus ein baldiges Ende. "Noch drei, fünf oder acht Jahre", schrieben sie, und spätestens dann "werden sich etliche Leser ermattet abwenden von den aufgeregten, hyperventilierenden, sensationsgeilen Sites". 2014 ist davon nichts eingetreten.“ Die Nutzerzahlen sind seither sogar noch gewachsen – sie schließt mit Blick auf ihre Auswertung einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Das muss nicht unbedingt für den Onlinejournalismus sprechen. Aber gegen die Leser spricht es ganz gewiss nicht.“

Die neuen Projekte machen schon mal vor, wie das ist die Leser (wieder?) durch das Urprinzip guten, weil aufregenden Journalismus zu überzeugen und dabei auch noch Neuland zu betreten. Zum Beispiel im Fußballtrikot und brafus. Nein, kein Schreibfehler – „brafus“ 2014 heißt das Projekt unseres Vorstandsex und Ehrenpräsidenten Kai Schächtele, das er zusammen mit dem Fotografen Christian Frey und der Kollegin Birte Fuchs gerade in Brasilien durchzieht. Der „taz“ sagte er: „Was wir jetzt schaffen müssen, ist, die Leute zu überzeugen, dass sie nicht aus Solidarität Geld ausgeben sollen für Journalisten, sondern weil sie merken, dass deren Arbeit einen unverzichtbaren Wert für sie hat“.

Das Vorläuferprojekt war die Berichterstattung zur WM in Südafrika. Dafür wurde das Team für den Grimme Online-Award nominiert. Vielleicht klappt es ja dieses Mal mit Brafus2014 ((http://www.brafus2014.com/)). Anders als vor vier Jahren hatten die Journalisten in diesem Jahr lange mit einer bekannten Zeitschrift verhandelt, die die Journalisten und ihr Projekt exklusiv unter Vertrag nehmen wollte. Das Projekt werde unterm Strich etwa 30.000 Euro kosten, sagte Kai Schächtele Jens Twiehaus von der "taz". Den Betrag wollte das Blatt am Ende nicht bezahlen – die Brafuser sagten dann die Kooperation lieber komplett ab – Unterstützer haben sie dennoch: Das Netzwerk „torial“ und der klimafreundliche Südamerika-Reisespezialist Viventura plus diverse Crowdfunder. Haut rein ihr drei! (Crowdtravelfunder hier entlang!). 

Dies und Das

Und wer nach der Spende Kassensturz machen will: Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung hat beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ein Monitoring zur wirtschaftlichen Entwicklung der Branche in Auftrag gegeben. In diesem Zusammenhang ist auch eine empirische Untersuchung bei Selbständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland vorgesehen – deshalb bitten sie uns, die Studie durch Teilnahme an der Online-Befragung www.zew.de/kkwumfrage2014 zu unterstützen. Die Ergebnisse der Befragung werden voraussichtlich im Herbst 2014 im Rahmen des Monitoringberichts Kultur- und Kreativwirtschaft unter www.kultur-kreativ-wirtschaft.de kostenlos veröffentlicht. Ansprechpartner Dr. Jörg Ohnemus (E-Mail: ohnemus-at-zew.de, Tel.: 0621/1235-354).

 

Preise

Macht sie sichtbar! Bildungswege von Migrantinnen und Migranten“ – unter diesem Motto sind junge Journalistinnen und Journalisten (bis 35) aufgerufen, sich bis zum 14. Juli 2014 für den KAUSA Medienpreis zu bewerben. Sowohl Text-, Audio-, Video- als auch Multimediabeiträge sind gefragt. Die Preise mit einer Gesamtdotierung von 30.000 Euro werden an bis zu zwölf Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten verliehen.
Mehr Informationen zum Wettbewerb finden Sie hier. Ansprechpartnerin:Meike Julia Dahmen Tel.: +49 (0) 228/107-1243, dahmen-at-bibb.de

Wer sich lieber fortbilden will und zwar nachhaltig, schaue bitte hier: Die Leuphana Uni Lüneburg bietet ein berufsbegleitendes Studium für Nachhaltigkeit und Journalismus. Studienstart im Oktober. Kosten: 1950 Euro pro Semester. Bewerbungsschluss ist Ende Juli. Stipendien über ein Viertel der Gebühren sind möglich und werden gerade auch für Freiberufler angeboten. Weitere Info hier. Das Abschlussprojekt des ersten Jahrgangs ist gerade erschienen: „Was zählt.“ Geschichten des Wandels erzählt – Fortsetzung folgt“. Mehr hier.

 

Und zu guter Letzt: Geschichten …

Auch wenn uns da Brasilien derzeit besonders am Herzen liegt: Lets talk about Lokaljournalismus! Der übt sich ja besonders unauffällig in Fallrückziehern oder robbt einfach apathisch kreuz und quer durch den Krisengarten. Wie, ja wie alle Überregionalen auch, nur nicht so selbstbewusst. Zum Bratwurstjournalismus sei er verkommen, schimpfte Hyperlokalvorturner Hardy Prothman schon vor ein paar Jahren. Das aber habe rein gar nichts mit dem Internet zu tun, steckt Johannes Braun auf „Vocer“ seinen LokalkollegInnen: „Diese Krise manifestierte sich schon mit Auflagenverlusten, als viele Journalisten das Internet noch für eine Handelskette in der DDR hielten.“ Muss man nicht nur, kann man ändern, findet er und packt seine Vorstellungen in zehn Forderungen: 1. Journalisten – gerade im Lokalen – müssen viel selbstbewusster werden! 2. Mitreißend schreiben! 3. Wir müssen wieder Themen setzen! 4. Haltung zeigen! 5. Sich Zeit nehmen! 6. Geschichten erzählen! 7. Verzichten lernen! 8. Journalisten, auch Lokaljournalisten, müssen viel stärker zur Marke werden! 9. Den Leser ernst nehmen! und schließlich die 10. wichtigste Forderung, die, nicht erfüllt, alle neun vorhergehenden obsolet mache. „Es ist ein Appell an die Verleger, an die Geschäftsführer: Lassen Sie uns leben, lassen Sie uns unsere Arbeit machen!“ Damit nicht vor lauter Herumschieberei und Gezackere um Posten, Sparmaßnahmen und -projekte das eigentliche aus dem Blick gerät (siehe 2-6.) – und so die Leser um ihr Blatt, die gesuchte Info und den Verstand bringt.

Und damit ab ins Pfingst-Wochenende!
Eure Freischreiber

 

FREISCHREIBER TERMINE
 

Berlin – Freifunker

Der Programmdirektor Andreas Weber von "Deutschlandradio Kultur“ lädt freie MitarbeiterInnen zum "Austausch" über die Programmreform ein: 19. Juni, um 13.30 Uhr im Raum Köln des Berliner Funkhauses am Hans-Rosenthal-Platz 1. Das sollte sich keiner entgehen lassen! Kommt bitte möglichst zahlreich. Um Rückmeldung bittet Agnes Steinbauer unter agnes.steinbauer-att-gmx.de

 

Berlin – Freifeierer

Auch dieses Jahr gibt es den fast schon traditionellen Freischreiber-Sommertreff bei Henry draußen im Grünen: Grillen und Schlemmen (auch vegetarisch und vegan), Klönen und Netzwerken, die grüne Freischreiber-Luft schnuppern – ausdrücklich nicht nur fürMitglieder sondern so offen wie der Blick von der Terrasse auf den hoffentlich blauen Sommerhimmel.
Und zwar am Sonnabend, den 21.Juni.2014, ab 15 Uhr draußen bei Henry, nahe U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte. Für Getränke, Brot und vegetarische/vegane Grillware wird gesorgt sein, bitte Grillfleisch/Grillfisch/Salate aller Art mitbringen.
Achtung: WM-HINWEIS: Wer möchte, kann an diesem Abend das FUSSBALL-WM-SPIEL Deutschland-Ghana (Anpfiff um 21.00 Uhr) gerne bei Henry sehen, der adäquate Projektion, Getränke und Stimmung für ein zünftiges Private Public Viewing verspricht.
Der Planung halber* bitte unter Angabe der Personenanzahl anmelden unter henry.steinhau-at-freischreiber.de
*Bei krass schlechtem Wetter muss das Ganze leider ausfallen, worüber aber alle Angemeldeten rechtzeitig informiert würden

 

München für kurz Entschlossene

Da Fotojournalisten und Fotografen oft unter ähnlichen Bedingungen arbeiten wie Freie Journalisten, möchten die Münchner Regionalgruppen von Freischreiber und Freelens den Kontakt untereinander stärken. Deshalb sei an dieser Stelle auf den nächsten Freelens Stammtisch in München hingewiesen, den ihr zum netzwerken nutzen könnt:
Am heutigen Freitag, 6.Juni um 19. Uhr im Hofbräukeller Biergarten (Innere Wiener Straße 19, München). Dieser ist sowohl mit dem Auto (Parken im benachbarten Parkhaus), als auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar und es gibt sowohl drinnen und als auch draußen Sitzmöglichkeiten, je nach Wetter. Bitte meldet euch bei Thorsten Jochim an unter: photo-at-thorstenjochim.com

Ansonsten:
Im Juni wird es keinen Freischreiber-Stammtisch in München geben, aber ein Begrüßungstutorial für unsere Neumitglieder. Die Betreffenden bekommen eine separate Einladung.

 

Österreich

Denn: Hurra! Die at-Freischreiber sind da!
Am Mittwoch, 18. Juni 2014 ab 18 Uhr findet in Wien die Gründungsversammlung des Vereins “Freischreiber Österreich – Verein zur Förderung des freien Journalismus” statt. Alle hauptberuflichen freien Journalistinnen und Journalisten sind herzlich eingeladen, zur Versammlung zu kommen, Vereinsmitglied zu werden und sich aktiv an der Vernetzung und Verbesserung der Arbeits- und Einkommenssituation von freien JournalistInnen zu beteiligen.
Wir treffen uns im Gruppenraum des Wohnhauses Vorgartenstraße 126, 1020 Wien. Der Raum hat keine Klingel, deshalb bei Ankunft bitte (0699 1123 4082 oder Sonja Fercher (0676 3364 530) anrufen. Hier mehr!