Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Vorab in eigener Sache: Das erste Medium hat den „Code of Fairness“ unterschrieben! Unsere zehn Punkte umfassende Richtschnur für einen fairen Umgang zwischen freien Journalisten und Journalistinnen und den Redaktionen und Verlagshäusern. Darin sind Standards festgehalten, wie dass Recherchen entsprechend ihres Zeitaufwandes angemessen bezahlt werden, dass „Themenklau“ ausgeschlossen ist oder dass innerhalb von zwei Wochen nach Abnahme eines Beitrages das Honorar überwiesen wird.
Und wer ist nun der Mutige, der Entschlossene, der Kluge, der unsere Wertvorstellungen teilt: Na, „Krautreporter“. Das vieldiskutierte Projekt um Sebastian Esser & Co, das plant ein tägliches Online-Magazin ans Licht der Welt zu bringen – finanziert durch Crowdfunding. Okay – kann sein, dass Magazin erscheint nicht wie geplant, weil die erforderlichen 15.000 Unterstützer nicht zusammen kommen. Aber noch tickt ja die Uhr. Und wir Freischreiber freuen uns über den ersten Unterzeichner und laden alle anderen Medien, für die wir arbeiten, ein, sich nochmal den CoF (wie wir ihn liebevoll nennen) in aller Ruhe anzuschauen und dann …
Und jetzt rein ins Mediengetümmel:
„Journalistisch betrachtet bestehe kein Zweifel daran, dass das offene Onlinezeitungsmodell gegenüber der Pay-Wall um Lichtjahre besser ist“, sagte der "Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger in einem Interview mit BBC-Radiomann Evan Davis, das die britische Pressgazette aufgegriffen hat. Die Bezahlschranke nennt er ein "Geschäftsmodell des 19. Jahrhundert". Allerdings muss er einräumen, dass er noch keine passende ökonomisches Strategie für seinen Lichttraum gefunden hat. So unbekümmert er seine Linie auch vertritt, die Online Leser äußern in ihrer Kritik in den Kommentaren einigermaßen gesittet zwar, aber unmissverständlich deutlich, dass sie ihn für einen (zu) gut bezahlten Träumer halten.
Wie das Konzept Guardian in echt aussieht, beschreibt Petra Sorge, die Onlinefrontfrau des "Cicero" in ihrem Aufsatz über die Chancen und Risiken des digitalen Journalismus auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung: „Wie schwer es ist, selbst mit exklusivem Recherchejournalismus ausreichende Werbeerlöse zu erzielen, zeigt das Beispiel des britischen „Guardian“. Die drittgrößte englischsprachige Nachrichtenwebseite der Welt verzeichnete im Zuge der Enthüllungen zur NSA-Affäre seit dem vergangenen Jahr enorme Zugriffe. Dennoch ist die Zeitung notorisch klamm: 2012 betrug das Minus 44,2 Millionen Pfund, 2013 immer noch 31 Millionen, wie das Branchenmagazin „Journalist“ ermittelte. Auch 2014 werde die Zeitung wieder Millionen verbrennen.“
Geld ist das eine Dauerthema, Schnelligkeit das andere. Und welches Pferd gewinnt? Petra Sorge ergeht sich nicht im Schade-alles-ist-so-beschleunigt-Lamento, sondern stellt nüchtern fest, das Chaos der Medienarbeit finde jetzt nicht mehr hinter den Kulissen statt, sondern eben auch in digitaler Echtzeit. Und fordert die Redaktionen dazu auf, transparenter und kritikfähiger zu werden. Und sie erinnert: „2007 prophezeiten Steffen Range und Roland Schweins dem Onlinejournalismus ein baldiges Ende. "Noch drei, fünf oder acht Jahre", schrieben sie, und spätestens dann "werden sich etliche Leser ermattet abwenden von den aufgeregten, hyperventilierenden, sensationsgeilen Sites". 2014 ist davon nichts eingetreten.“ Die Nutzerzahlen sind seither sogar noch gewachsen – sie schließt mit Blick auf ihre Auswertung einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Das muss nicht unbedingt für den Onlinejournalismus sprechen. Aber gegen die Leser spricht es ganz gewiss nicht.“
Die neuen Projekte machen schon mal vor, wie das ist die Leser (wieder?) durch das Urprinzip guten, weil aufregenden Journalismus zu überzeugen und dabei auch noch Neuland zu betreten. Zum Beispiel im Fußballtrikot und brafus. Nein, kein Schreibfehler – „brafus“ 2014 heißt das Projekt unseres Vorstandsex und Ehrenpräsidenten Kai Schächtele, das er zusammen mit dem Fotografen Christian Frey und der Kollegin Birte Fuchs gerade in Brasilien durchzieht. Der „taz“ sagte er: „Was wir jetzt schaffen müssen, ist, die Leute zu überzeugen, dass sie nicht aus Solidarität Geld ausgeben sollen für Journalisten, sondern weil sie merken, dass deren Arbeit einen unverzichtbaren Wert für sie hat“.
Das Vorläuferprojekt war die Berichterstattung zur WM in Südafrika. Dafür wurde das Team für den Grimme Online-Award nominiert. Vielleicht klappt es ja dieses Mal mit Brafus2014 ((http://www.brafus2014.com/)). Anders als vor vier Jahren hatten die Journalisten in diesem Jahr lange mit einer bekannten Zeitschrift verhandelt, die die Journalisten und ihr Projekt exklusiv unter Vertrag nehmen wollte. Das Projekt werde unterm Strich etwa 30.000 Euro kosten, sagte Kai Schächtele Jens Twiehaus von der "taz". Den Betrag wollte das Blatt am Ende nicht bezahlen – die Brafuser sagten dann die Kooperation lieber komplett ab – Unterstützer haben sie dennoch: Das Netzwerk „torial“ und der klimafreundliche Südamerika-Reisespezialist Viventura plus diverse Crowdfunder. Haut rein ihr drei! (Crowdtravelfunder hier entlang!).